Protagonisten Interview mit Jo, Conny, Finn und Adrian aus 17

Protagonisten Interview mit Jo, Conny, Finn und Adrian aus 17


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Hamburg am 03.02.2017
 
Ein bisschen nervös bin ich ja schon. Erst seit kurzem bin ich bei unserer Zeitung dem „Aktuellen Blatt“ angestellt und dies hier, wird das erste Interview, welches ich alleine führen werde.

In unserer Artikelserie geht es um außergewöhnlich Menschen und ihre Gaben.

Ich gestehe, dass ich etwas skeptisch bin, denn viele Menschen sprechen davon eine Gabe zu haben. Man schaue nur einmal in das wöchentliche Abendprogramm. Bisher steckte nie wirklich etwas dahinter, wenn sich bei uns jemand gemeldet hat. Bei Johanna/Jo hört sich das Ganze allerdings echt an, deshalb bin ich jetzt auch hier, um ihr ein wenig auf den Zahn zu fühlen.

Ich schultere meine Tasche, atme noch einmal tief durch und klingele an der Haustür. Ein sportlicher junger Mann mit hellblonden Haaren öffnet. Laut meinen Recherchen muss es sich dabei um Finn handeln.

„Hi. Ich bin Sanne vom Aktuellen Blatt“, sage ich und reiche ihm meine Hand.

„Finn, Jos neues Brüderchen. Komm doch rein.“

Ich mustere ihn von oben bis unten und erkenne, dass er wirklich gut aussieht. Ich hoffe inständig, dass er meine Musterung nicht mitbekommt. Schnell blicke ich weg und folge seiner Einladung, das Haus zu betreten. Drinnen erwarten mich zwei junge Frauen.

„Hi. Ich bin Jo und das ist meine Freundin Conny. Sie wollte sich das Interview nicht entgehen lassen. Setz dich doch.“

Anscheinend hat Lea, Finns Mom, Kuchen gebacken. Schokoladenkuchen. Hm. Lecker.
Alle drei setzen sich zu mir und schauen mich an. Ich merke wie meine Nervosität zurückkehrt.

„Willst du etwas trinken? Kaffee vielleicht?“, fragt Finn und ich nicke.

Jo sieht meinen Blick auf den Kuchen und schneidet ihn an. Lächelnd reicht sie mir ein Stück davon, zusammen mit der Tasse Kaffee, was ich dankend annehme. Ich habe den ganzen Tag vor Aufregung kaum etwas runterbekommen und der Kuchen riecht wie der Himmel auf Erden. Ich koste und schließe genüsslich die Augen. Ich habe schon viele Schokoladenkuchen gegessen, aber dieser hier … Mmmmmmmh

Ich sehe wie mich die Drei beobachten und von einem Ohr zum anderen grinsen.

„Noch ein Stück?“, fragt Jo, doch ich lehne mit leicht rotem Kopf ab.

Ich nehme noch einen Schluck vom Kaffee, bevor ich meine Unterlagen hervor krame.

„Bereit?“, frage ich und alle 3 nicken.

SANNE: Also vielen lieben Dank, dass ihr euch die Zeit für mich nehmt. Wie geht es euch?

Jo: Gut. Also eigentlich sogar sehr gut.

Conny (wirft einen Blick auf Jo und grinst vielsagend): Ja, uns geht es fantastisch. Hey, darf ich eigentlich ein Foto für meinen Instagram-Account machen? Er nennt sich Conny Carrot und meine Follower finden das sicher total cool. Schließlich ist das mein erstes Interview.

Finn: Jetzt mal halb lang, Conny. Dein erstes Interview? Du weißt schon, dass sie eigentlich wegen Jo hier ist, oder?

Conny (kramt stoisch eine Karotte aus einer grünen Brotdose): Klar weiß ich das. Aber so lange ich irgendwelche Fragen beantworten soll, ist es ein Interview. Und du wirst schon sehen, das ist nur das erste in einer langen Reihe von Interviews. (Streckt mir die Karotte hin.) Hier, hältst du mal? Aber nicht abbeißen!

SANNE Ähm … (Ich nehme etwas unschlüssig die Karotte): Wo ist eigentlich Adrian?

Jo: Er schafft es heute leider nicht.

Conny(knipst ein Foto von mir mit der Karotte): Ja, weil Finn vergessen hat, ihm den Termin zu nennen.

Finn: Hey, ich kann schließlich nicht an alles denken.

Conny:  Das hast du doch mit Absicht gemacht. Damit dir keiner die Show stiehlt.

Finn (gespielt entrüstet): Mir die Show stehlen? Wie soll das denn bitteschön gehen?

SANNE: (“Das frage ich mich allerdings auch”, murmle ich und widme mich dann wieder meinen Notizen) Wie läuft das Leben in der Patchwork – Familie? Ich meine, die Ereignisse haben sich ja ziemlich überschlagen. Habt ihr euch mittlerweile alle miteinander arrangiert?

Jo (lacht): Nein, mit Finn kann man sich nicht arrangieren.

Finn: Sagst gerade du, Schwesterchen? Wer hat denn mein Ladekabel ins Tiefkühlfach gepackt?

Jo: Das hattest du verdient. Ich sag nur: Badezimmer.

Conny: Igitt. Bitte keine Details!

Finn (schüttelt den Kopf): Blödsinn. (Er sieht mich direkt an) Glaub ihnen kein Wort. Ich bin total nett.

Conny: Nett ist der kleine Bruder von scheiße.

Jo  (lacht): Finn kann tatsächlich nett sein. Aber er ist unausstehlich, wenn keine Bifis im Haus sind.

(Sie zwinkert mir zu und alle grinsen.)

SANNE: Ihr hattet ja keinen einfachen Start zusammen und wirklich leiden konntet ihr euch ja auch nicht, habt euch das Leben sogar schwer gemacht. Was war der Punkt an dem ihr miteinander klar kamt und was hat sich seitdem geändert?

Finn: Wir sollen miteinander klarkommen? Wer hat dir denn den Scheiß erzählt? (Er grinst und bekommt Jos Ellbogen zwischen die Rippen.) Also, mit mir zusammenzuleben ist ja einfach. Aber mit so einer Erinnerungstante und dieser spooky Gabe das ist echt nicht ohne.

Jo: Meine Gabe ist nicht spooky.

Finn (grunzt): Richtig. Sie ist sehrspooky. (Wendet sich an mich): Würdest du denn mit mir tauschen wollen? Moment, wo wohnst du denn? Gibt’s da auch ein schönes Zimmer? (Er grinst frech.)

SANNE: Klar. Sag einfach Bescheid, wenn du es nicht mehr aushälst. (Ich zwinkere Finn lächelnd zu und räuspere mich anschließend.) Also Jo, wie kann man sich deine Gabe denn genau vorstellen und wie funktioniert sie?

Jo:  Okay, wenn ich das erzähle, klingt das immer ein bisschen verrückt. Aber ich muss eigentlich nur das Handgelenk von jemandem berühren und kann so in seine Erinnerungen sehen.

Conny:  Moment. Du darfst das coole Silberfeld nicht auslassen!

Jo (lächelt): Ja, also am Anfang fühlt es sich so an, als würde ich irgendwie weggezogen werden, und dann falle ich auf eine riesige wogende Graslandschaft. Ich nenne sie das Erinnerungsfeld, und jeder silberne Halm dort steht für eine Erinnerung. Und sobald ich einen berühre zack – bin ich drin.

Finn (sieht mich vielsagend an): Spooky, sagte ich doch.

SANNE: Und wie war das für dich, plötzlich so eine Gabe zu beherrschen?

Jo (streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr): Also am Anfang war es natürlich ein Schock. Ich dachte, ich würde mir das alles nur einbilden und halluzinieren. Aber dann habe ich gemerkt, dass es echt ist und langsam auch gelernt, damit umzugehen. Leider hatte ich nicht viel Zeit, um da reinzuwachsen, aber irgendwie hat es trotzdem geklappt.

SANNE: So eine Gabe kann ja auch gefährlich sein, wie war es für euch Finn und Conny, als Jo euch eingeweiht hat?

Finn: Also am Anfang dachte ich ja, sie verarscht mich. Ich meine, ich wusste schon immer, dass sie verrückt ist, aber in Erinnerungen hopsen? Mal ehrlich, wer glaubt denn so was?

Conny:  Also ich habe es geglaubt.

Jo (lacht): Ja, nachdem ich dir meine Gabe ungefähr fünfzig Mal bewiesen habe!

Conny(entrüstet): Ist gar nicht wahr. Außerdem hast du es mir viel zu spät erzählt. Da wusste Finn schon längst Bescheid!

Finn:  Ich bin einfach der perfekte Zuhörer, total empathisch.

Jo: Du hattest einen Kater vom Vorabend, als ich es dir erzählt habe.

Finn:  Richtig. Und ich war TROTZDEM empathisch.

(Die Mädchen grinsen vielsagend.)

SANNE: Was ist mit dir Jo? Ihr seid, ja immer viel umgezogen und, dein Wunsch war es ja immer irgendwo anzukommen. Bist du mittlerweile in Hamburg angekommen?

Jo: Ähm, ja. Ich denke schon.

Conny (vielsagend): Und ich weiß auch genau, an wem das liegt.

Jo errötet und im selben Moment hört man draußen den Motor eines Motorrads. Einen Augenblick später klingelt es an der Haustür. Als Finn die Tür aufmacht, steht ein großer dunkelhaariger Typ mit breiten Schultern und durchdringenden grünen Augen davor. Ich schlucke, denn er sieht wirklich noch besser aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Gelassen blickt er Finn an: „War ein wenig kurzfristig, Mann.“ Dann kommt er herein, küsst Jo auf die Lippen und setzt sich neben sie. Als er das erste Mal den Blick seiner dunkelgrünen Augen auf mich richtet, fühlt es sich an, als könnte ich nichts vor ihm verbergen. Ich muss kurz schlucken und weiß jetzt was Conny vorhin gemeint hat.

„Hey“, sagt er. „Ich bin Adrian.“

„Sanne“, erwidere ich und lächle ihn an. „Schön, dass du es noch geschafft hast.“

„Das finde ich auch“, meint Jo und greift nach seiner Hand. Conny bietet ihm ein Stück Kuchen an, doch er lehnt ab.

SANNE: Wie sehen eure Zukunftspläne aus?

Jo: Also erst mal will ich die Schule fertig machen. Und danach

Adrian(blickt ihr tief in die Augen): Danach fahren wir weg.

Conny: Oh ja! Danach fahren wir alle zusammen auf Urlaub.

Jo (sieht Adrian verliebt an): Zum Beispiel nach Paris.

Conny (schüttelt vehement den Kopf): Nein, bloß nicht. Da war ich doch schon mit meinen Eltern. Und den französischen Akzent ist meine Mutter bis heute noch nicht losgeworden.

Finn: Leute, wir müssen ans Meer. Sonne, Strand, Surfen. Das volle Programm.

Conny:  Ich steh nicht so auf die Hitze. Was haltet ihr von Neuseeland? Neuseeland soll echt cool sein.

(Sie beginnen zu streiten und es dauert eine Weile, bis wieder Ruhe einkehrt. Die Urlaubsfrage ist da aber noch immer nicht geklärt.)

SANNE: Adrian, du hattest doch ein Problem mit Louis. Wie läuft das denn inzwischen mit euch beiden?           

Adrian: Das ist Schnee von gestern. So lange er die Finger von Jo lässt, ist es okay.

Jo: Louis ist doch nur ein Freund.

Conny:  Ein Freund, der versucht hat, dich zu küssen.

Finn:  Und der dir Drogen zu deinem Geburtstag geschenkt hat.

Adrians Miene verdüstert sich zusehends. Ich habe das Gefühl, dass es besser wäre, das Thema zu wechseln und das tue ich dann auch prompt.

SANNE: Jo, du und deine beiden Freundinnen aus Wien habt euch ja die Reue-Liste ausgedacht. Was genau ist das eigentlich?

Jo(lächelt): Ach, das war so eine verrückte Idee von Pippa. Die Liste entstand aus dem Reue-Spiel, bei dem wir uns überlegt haben, was wildfremde Menschen auf der Straße wohl am meisten in ihrem Leben bereuen. Und daraufhin haben wir dann aufgeschrieben, was wir keinesfalls bereuen wollen, wenn wir älter sind. So ist daraus eine Liste mit Dingen geworden, die ich gerne noch erleben würde.

SANNE: Führst du deine noch?

Jo: Nein, nicht mehr. Irgendwie hab ich schon ziemlich viele Punkte auf meiner Liste abgehakt. Und im Moment lebe ich einfach im Augenblick und genieße jeden Tag, wie er kommt. Außerdem hab ich in den letzten Wochen ziemlich viel erlebt, das reicht wahrscheinlich für drei Leben. (Sie drückt Adrians Hand und er gibt ihr einen sanften Kuss auf die Schläfe.)

SANNE: Was ist mit euch beiden?, frage ich und schaue Finn und Conny an. Habt ihr auch eine Liste?

Conny:  Ich brauche keine Liste, ich habe meinen Instagram-Account. Conny Carrot. Da mache ich jeden Tag ein Foto mit einer Karotte. Soll ich dir sagen, wie man das buchstabiert? Ihr druckt das doch ab, oder?


Finn:  Ich bin nicht so der Listenschreiber. Aber ich finds gut, Dinge zu machen, die man nachher bereuen kann. Das zeigt einem, das man am Leben ist.

Ich nicke lächelnd und klappe mein Notizbuch zu.

„Das war es auch schon. Ich danke euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt – und richtet Lea aus, dass der Kuchen wirklich wahnsinnig lecker war“, sage ich und lächle die Vier an.

Ich verstaue meine Utensilien wieder und mache mich, nach einer kurzen Verabschiedung,  anschließend mit einem guten Gefühl auf den Heimweg.  
 
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